Barrierefreie Appentwicklung – Anleitung 2025

Barrierefreiheit in der digitalen Welt wird immer wichtiger. Apps, die für alle zugänglich sind, schaffen nicht nur ein besseres Nutzererlebnis, sondern erfüllen auch rechtliche Vorgaben und soziale Verantwortung. Doch wie gelingt barrierefreie Appentwicklung? In diesem Artikel erkläre ich die Grundlagen und gebe Ihnen wertvolle Tipps um Apps barrierefrei entwickeln zu können. 

Native Apps und Progressive Web Apps

Apps können auf unterschiedliche Weise entwickelt werden, je nachdem, wie und wo sie genutzt werden sollen. Zwei wichtige Ansätze sind native Apps und Progressive Web Apps (PWA).

  • Native Apps: Diese Apps werden speziell für ein bestimmtes Betriebssystem wie Android oder iOS entwickelt. Sie nutzen die Programmiersprachen und Werkzeuge, die für das jeweilige Betriebssystem vorgesehen sind (z. B. Java oder Kotlin für Android, Swift oder Objective-C für iOS). Native Apps bieten die beste Leistung und können auf alle Funktionen des Geräts zugreifen, wie Kamera, GPS oder Benachrichtigungen.
  • Progressive Web Apps (PWA): PWAs sind Webseiten, die sich wie Apps verhalten. Sie laufen im Browser, können aber auch auf dem Startbildschirm eines Geräts installiert werden. PWAs sind plattformübergreifend und benötigen keine separate Entwicklung für verschiedene Betriebssysteme. Sie sind jedoch oft in ihren Funktionen eingeschränkt, da sie nicht denselben Zugriff auf die Gerätehardware haben wie native Apps. Progressive Web Apps werden mit HTML, CSS und Javascript programmiert.

Die barrierefreie App Marlems Schiebepuzzle auf einem Smartphone mit Betriebssystem Android

Welche Richtlinien gibt es?

Eine Richtlinie im Sinne der digitalen Barrierefreiheit ist eine Art Anleitung oder Regelwerk, die beschreibt, wie Webseiten, Apps und andere digitale Produkte gestaltet werden sollten, damit sie für alle Menschen nutzbar sind – einschließlich Menschen mit Behinderungen.

Zunächst ein paar allgemeine Gedanken zu Richtlinien für digitale Barrierefreiheit: Egal ob eine Webseite, Software oder App entwickelt wird – das Ziel ist es, dass alle Menschen sie nutzen können, einschließlich Menschen mit Behinderungen oder anderen Einschränkungen. Richtlinien helfen dabei, dieses Ziel zu erreichen, indem sie konkrete Kriterien und Prüfschritte vorgeben. Jedes Kriterium sorgt dafür, dass Nutzer:innen mit bestimmten Einschränkungen problemlos auf die Inhalte zugreifen und diese bedienen können.

Die Grundlage für zugängliche digitale Inhalte bilden die Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Die aktuelle Version, WCAG 2.2, bietet klare Richtlinien, wie Barrierefreiheit erreicht werden kann. Ergänzt werden diese durch die EN 301 549, eine Norm, die speziell für digitale Barrierefreiheit in Europa gilt. Hier finden Sie weitere Informationen:

Zusätzlich bieten Unternehmen wie Google, Apple und Microsoft spezifische Richtlinien für Entwickler:innen:

Die EN 301 539 ist für europäische Länder die wichtigste Richtlinie. Ein anderes deutsches Wort für Barrierefreiheit ist Zugänglichkeit.

Leider gibt es für die Entwicklung von barrierefreien Apps viele unterschiedliche Richtlinien. Ich empfehle zur Entwicklung von barrierefreien Apps die Programmierung von progressive Web Apps. Für barrierefreie Web-Programmierung eignet sich die Richtlinie EN 301 539 sehr gut!

Mit welchen Programmiersprachen können barrierefreie Apps entwickelt werden?

Um Apps entwickeln zu können benötigen Sie eine Programmiersprache. Die Wahl der Programmiersprache hängt vom Betriebssystem ab. Um  Android-Apps zu entwickeln werden die Programmiersprachen Java und Kotlin häufig genutzt, während für iOS-Apps Swift und Objective-C dominieren. Wenn es um plattformübergreifende Apps oder Windows-Anwendungen geht, ist C# eine beliebte Wahl.

Mit welchen Entwicklungsumgebungen kann zugängliche Appentwicklung umgesetzt werden?

Eine Entwicklungsumgebung ist eine Software, die Entwickler dabei hilft, Anwendungen zu erstellen. Sie bietet Werkzeuge wie Code-Editoren, Debugging-Tools und Simulatoren, die den Entwicklungsprozess erleichtern. Hier sind die wichtigsten Tools:

Visual Studio Code: Eine beliebte, leichtgewichtige Entwicklungsumgebung, die ebenfalls barrierefreundliche Features bietet. Weitere Informationen finden Sie in diesem Blogartikel von mir: Barrierefreiheit bei Visual Studio Code – Barrierefreiheit bei Entwicklungsumgebungen.

Wer ist die Zielgruppe von zugänglicher  Appentwicklung?

Barrierefreie oder zugängliche Apps sind für alle da, insbesondere aber für:

  • Menschen mit Behinderungen: Dazu gehören Nutzer:innen mit eingeschränktem Seh-, Hör-, Bewegungs- oder kognitivem Vermögen.
  • Senioren: Mit steigendem Alter nehmen oft motorische und sensorische Fähigkeiten ab. Zugänglichkeit hilft, Apps intuitiv und einfach nutzbar zu machen.

Es gibt auch Menschen mit körperlichen Einschränkungen, die nicht durch eine Behinderung oder das Älterwerden entstehen. Solche Einschränkungen können zum Beispiel nach einem Schlaganfall auftreten oder durch Kriege, wie aktuell in der Ukraine. Viele Menschen dort haben durch Bomben körperliche Einschränkungen erlitten.

Zum Jahresende 2023 lebten in Deutschland rund 7,9 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, waren das rund 67 000 oder 0,9 % mehr als zum Jahresende 2021, dem Zeitpunkt der letzten Erhebung. Als schwerbehindert gelten Personen, denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mindestens 50 zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung zum Jahresende 2023 waren 9,3 % der Menschen in Deutschland schwerbehindert. 50,1 % der Schwerbehinderten waren Männer, 49,9 % waren Frauen. Quelle: Behinderte Menschen – Statistisches Bundesamt .

Inklusion ist ein wichtiger Grund, warum Apps barrierefrei gestaltet werden sollten. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam am Leben teilhaben – sei es im Kindergarten, in der Schule oder im Arbeitsalltag. Damit diese Teilhabe auch in der digitalen Welt gelingt, ist es wichtig, dass Apps für alle zugänglich sind.

Barrierefreie Appentwicklung – die wichtigsten Kriterien ausführlich erklärt

In diesem Abschnitt möchte ich die wichtigsten Kriterien die bei der Appentwicklung umgesetzt werden müssen, damit eine App barrierefrei ist, ausführlich erklären.

Screenreadertauglichkeit

Wie eine App-Oberfläche aussieht, können blinde Menschen nicht sehen. Damit eine App-Oberfläche für blinde Menschen wahrnehmbar ist muss sie screenreadertauglich programmiert sein. Blinde Menschen nutzen spezielle Vorlesefunktionen, sogenannte Screenreader (auf Deutsch: Bildschirmleser), um sich alles vorlesen zu lassen, was auf einem Computer oder Mobilgerät passiert. Screenreader gibt es heute für alle Betriebssysteme. Die bekanntesten Screenreader sind:

  • Sprachausgabe (Windows)
  • Orca (Linux)
  • TalkBack (Android)
  • VoiceOver (iOS und macOS)
  • JAWS (Windows)
  • NVDA (Windows)

Screenreadertauglichkeit bedeutet, dass eine App so programmiert ist, dass der Screenreader dem Nutzer erklärt, wie die App aufgebaut ist. Damit das funktioniert, müssen Bedienelemente wie Eingabefelder, Dropdown-Menüs oder Optionsschalter mit passenden Beschreibungen versehen werden. Diese Texte sollten klar erklären, was das jeweilige Element macht oder wie es bedient werden kann. Wenn die Screenreadertauglichkeit bei einer App nicht umgesetzt ist, ist diese App für blinde Menschen nicht bedienbar.

Leider gibt es in den Richtlinien EN 301 549 und WCAG 2.2 keinen spezifischen Prüfschritt für Screenreadertauglichkeit, da diese Richtlinien primär auf Webseiten ausgerichtet sind. Für native Apps fehlen daher klare Vorgaben. Das bedeutet, dass eine App allein nach EN 301 549 oder WCAG 2.2 zu entwickeln, nicht automatisch sicherstellt, dass sie screenreadertauglich ist. Entwickler müssen daher zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um diese wichtige Funktionalität umzusetzen.

Bevor ich eine barrierefreie Software oder eine barrierefreie App veröffentliche teste ich diese mit einem Screenreader. Für Software nutze ich den Screenreader NVDA. Für Apps nutze ich die Screenreader Talkback und Voice Over.

Tastaturbedienbarkeit bei Progressive Web Apps (PWA)

Progressive Web Apps können nicht nur auf Mobilgeräten eingesetzt werden, sondern auch auf Computern. Wenn eine App auf einem Computer ausgeführt werden kann, möchten blinde Menschen diese App ausschließlich per Tastatur bedienen. Deswegen ist bei Progressive Web Apps die Tastaturbedienbarkeit besonders wichtig.

Tastaturbedienbarkeit bedeutet, dass alle Funktionen einer App oder Webseite ausschließlich mit der Tastatur genutzt werden können. Damit eine PWA tastaturbedienbar ist, müssen Entwickler sicherstellen, dass:

  • Alle interaktiven Elemente erreichbar sind: Jedes anklickbare Element, wie Links, Buttons oder Menüs, sollte mit der Tabulator-Taste angesteuert werden können.
  • Die Reihenfolge logisch ist: Die Reihenfolge, in der die Elemente mit der Tab-Taste angesteuert werden können, sollte klar und intuitiv sein.

Tastenkombinationen unterstützt werden: Für komplexere Funktionen sollten hilfreiche Tastenkombinationen angeboten werden.

Sichtbarkeit des Tastaturfokus

Sehbehinderte Menschen möchten Apps nutzen. Bei Progressive Web Apps, die auch auf dem Computer genutzt werden können, ist die Sichtbarkeit des Tastaturfokus für Sehbehinderte Menschen besonders wichtig. Menschen mit Sehbehinderungen, die eine PWA mit der Tabulatortaste bedienen, müssen klar erkennen können, welches Bedienelement gerade ausgewählt ist. Das lässt sich einfach umsetzen, indem das aktive Bedienelement eine gelbe Hintergrundfarbe und schwarze Schriftfarbe erhält. So wird der Fokus deutlich sichtbar und die Navigation erleichtert.

Barrierefreier Farbkontrast

Farbfehlsichtigkeit ist eine Sehstörung, bei der Menschen bestimmte Farben nicht richtig erkennen oder vermischen. Es gibt verschiedene Arten von Farbfehlsichtigkeit, die häufigste ist die Rot-Grün-Sehschwäche. Menschen mit dieser Störung haben Schwierigkeiten, zwischen roten und grünen Farben zu unterscheiden. Es gibt auch andere Arten, wie Blau-Gelb-Sehschwäche oder vollständige Farbenblindheit.

Für Menschen mit Farbfehlsichtigkeit ist es besonders wichtig, dass es einen ausreichenden Farbkontrast zwischen der Schrift und dem Hintergrund gibt. Ein starker Kontrast erleichtert es ihnen, den Text gut zu erkennen, auch wenn sie Farben nicht richtig unterscheiden können. Wenn der Farbkontrast zu gering ist, kann der Text schwer lesbar sein, was die Nutzung der App erschwert.

Ein gutes Beispiel ist der Unterschied zwischen weißem Text auf einem grauen Hintergrund und schwarzem Text auf einem weißen Hintergrund. Der zweite Kontrast ist für alle Nutzer:innen, einschließlich derjenigen mit Farbfehlsichtigkeit, viel einfacher zu erkennen.

In den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG 2.2) wird empfohlen, dass der Farbkontrast zwischen Text und Hintergrund mindestens 4,5:1 beträgt, um sicherzustellen, dass der Text auch für Menschen mit Farbfehlsichtigkeit gut lesbar ist.

Den Farbkontrast testen können Sie mit der kostenlosen Software Colour Contrast Analyser (CCA). Die Software kann hier heruntergeladen werden: Colour Contrast Analyser (CCA) – TPGi .

In diesem Video zeige ich Ihnen wie der Colour Contrast Analyser eingesetzt werden kann am Beispiel von Webseiten und Software. Für Apps ist die Vorgehensweise genau gleich:

Mindestgröße von Bedienelementen

Manche Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Hände zu bewegen. Das kann zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder durch eine Behinderung passieren. Ich habe diese Einschränkung wegen meiner Behinderung, die Spastik heißt.
Menschen mit eingeschränkter Handbewegung haben oft Probleme, kleine Schaltflächen mit dem Finger zu treffen. Google empfiehlt deshalb in seinen Richtlinien zur barrierefreien App-Entwicklung, dass Schaltflächen mindestens 48dp hoch und breit sein sollten. Das entspricht in Webeinheiten etwa 3em oder 3rem.
Wenn Sie diese Empfehlung umsetzen, machen Sie Ihre Apps auch für Menschen mit eingeschränkter Handbewegung leichter bedienbar.

Mindestgröße von Bedienelementen

Manche Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Hände zu bewegen. Das kann zum Beispiel nach einem Schlaganfall oder durch eine Behinderung passieren. Ich habe diese Einschränkung wegen meiner Behinderung, die Spastik heißt.

Menschen mit eingeschränkter Handbewegung haben oft Probleme, kleine Schaltflächen mit dem Finger zu treffen. Google empfiehlt deshalb in seinen Richtlinien zur barrierefreien App-Entwicklung, dass Schaltflächen mindestens 48dp hoch und breit sein sollten. Das entspricht in Webeinheiten etwa 3em oder 3rem.

Wenn Sie diese Empfehlung umsetzen, machen Sie Ihre Apps auch für Menschen mit eingeschränkter Handbewegung leichter bedienbar.

Apps au Barrierefreiheit überprüfen

Nachdem Sie Ihre App fertig entwickelt haben, möchten Sie wissen ob die Barrierefreiheit gut umgesetzt wurde.

Leider gibt es keine Möglichkeit dies vollständig automatisiert zu überprüfen. Android Apps können mit dem Accessibility Scanner überprüft werden. Hier gibt es eine Anleitung von Google: Einführung in den Accessibility Scanner .

In folgendem Video zeige ich, wie Sie Android Apps mit dem Accessibility Scanner auf Zugänglichkeit überprüfen können:

Progressive Web Apps können mit Google Lighthouse auf Barrierefreiheit überprüft werden. Hier gibt es eine Einführung in Google Lighthouse:
Einführung in Lighthouse  |  Chrome for Developers

In diesem Video zeige ich, wie Sie eine progressive Web App mit Google Lighthouse validieren können:

Die beste Methode, um zu prüfen, ob eine App barrierefrei ist, ist sie nach den Richtlinien zu testen, die für Barrierefreiheit gelten.

Schlussbemerkung

Barrierefreie Appentwicklung ist kein optionaler Zusatz, sondern eine Notwendigkeit in einer inklusiven digitalen Welt. Indem Sie die vorgestellten Techniken und Richtlinien anwenden, schaffen Sie nicht nur ein besseres Nutzererlebnis, sondern tragen auch aktiv dazu bei, die digitale Kluft zu verringern. Die Umsetzung mag anfangs herausfordernd wirken, doch die Vorteile – sowohl für Ihre Nutzer:innen als auch für Ihr Unternehmen – sind es wert. Jede kleine Anpassung macht einen Unterschied. Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, eine digitale Welt für alle zugänglich zu machen!

Wenn Sie Fragen zu obige Themen haben, schreiben Sie mir eine Mail an info@marlem-software.de oder rufen Sie mich an unter 07072/1278463 .

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Autor: Markus Lemcke

Ich bin Markus Lemcke, Softwareentwickler, Webentwickler, Appentwickler, Berater und Dozent für barrierefreies Webdesign, barrierefreie Softwareentwicklung mit Java, C# und Python, Barrierefreiheit bei den Betriebssystemen Windows, Android, IOS, Ubuntu und MacOS.

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