Digitale Barrierefreiheit – Universelles Design für Alle

Digitale Barrierefreiheit wird in diesem Artikel ausführlich erklärt. Von Digitaler Barrierefreiheit profitieren Nutzer mit und ohne Behinderung – eben ALLE NUTZER.

Digitale Barrierefreiheit – Was ist das?

Webseiten, Programme und Betriebssysteme werden so gestaltet, dass sie von ALLEN MENSCHEN, auch von Menschen mit körperlichen Einschränkungen, bedient werden können. Anders ausgedrückt: Barrierefreiheit in der Informatik bedeutet, dass Webseiten, Programme und Betriebssysteme keine Hindernisse bzw. Barrieren bei der Bedienung für Menschen mit Behinderungen haben. Ein anderer Begriff für digitale Barrierefreiheit ist: Barrierefreiheit in der Informatik.
In nachstehenden Video wird die Digitale Barrierefreiheit erklärt:


Zielgruppe: Wer? Wie viele?

Menschen mit Behinderungen

Die Hauptzielgruppe sind Menschen mit Behinderungen. Laut Webseite des statischen Bundesamts gibt es in Deutschland 10 Millionen Menschen mit Behinderung.

Hier ein nicht vollständiger, kurzer Überblick, wie viel Menschen welche körperliche Einschränkung haben. Die Zahlen sind vom statischen Bundesamt.
Hier folgt eine detaillierte, aber nicht vollständige Aufstellung, welche Behinderungsart wie oft vor kommt in Deutschland. Ich habe Behinderungsarten herausgesucht, welche Probleme beim bedienen von Webseiten und Programme haben:

Behinderungsart Anzahl
Blinde Menschen 73.070
Menschen mit einer hochgradige Sehbehinderung 48.428
Menschen mit einer Funktionseinschränkung eines Armes 50.163
Menschen mit einer Funktionseinschränkung beider Arme 22.818
Gehörlose Menschen 28.449
Summe 222.928

Senioren

Menschen im fortgeschrittenen Alter können auch körperliche Einschränkungen bekommen. In Deutschland gibt es 17 Millionen Senioren ( https://de.statista.com/themen/172/senioren/ ). Folgende körperliche Einschränkungen können im Alter vorkommen:

    • Die Sehfähigkeit lässt nach
    • Die Hörfähigkeit lässt nach
    • Die Farbwahrnehmung lässt nach
    • Die Geschwindigkeit und Genauigkeit lässt nach

Alle Menschen

Wie der nächste Abschnitt zeigt, können auch Menschen ohne körperliche Einschränkungen in bestimmten Situationen eine Behinderung haben.

Die situationsbedingte Behinderung

Es gibt Situationen in denen Menschen ohne körperliche Einschränkungen eine Behinderung haben, die in einer bestimmten Situation auftritt.

Beispiele für die Situationsbedingte Behinderung sind:

  • Auto fahren und telefonieren geht nicht
  • In einer lauten Umgebung kann nicht telefoniert werden
  • Eine Software per Tastatur bedienen, wenn die Software nur per Maus bedienbar ist
  • Handschuhe erschweren das Bedienen von Computer, Smartphones und Tablets
  • Bei Müdigkeit oder Eile verstehen auch gebildete Menschen komplizierte Satzkonstruktionen nicht.
  • Jemand möchte ein Ipad bedienen und hat seine Lesebrille vergessen

Hier gibt es noch ein Youtube-Video zur situationsbedingten Behinderung:

Gestaltungsprinzipien der digitalen Barrierefreiheit

Welche Gestaltungsprinzipien gibt es? Eine besonders griffige Formulierung gibt es für Webseiten:
Internetseiten sollen unter allen Umständen wahrnehmbar, bedienbar und verständlich sein. Außerdem sollen Webseiten technisch so robust sein, dass sie auch mit älteren Geräten oder mit technischen Hilfen für Menschen mit Behinderungen benutzbar sind.

Wahrnehmbar

Beim Internet surfen oder Software bedienen geht es hauptsächlich darum, grafisch aufbereitete visuelle Informationen auf einem Ausgabegerät zu betrachten. Menschen mit einer Sehbehinderung oder blinde Menschen können nur eingeschränkt oder gar nicht visuelle Informationen wahrnehmen. Informationen die nur akustisch zur Verfügung stehen, können von Gehörlosen bzw. Menschen mit Hörbeeinträchtigung entweder gar nicht oder nur teilweise wahrgenommen werden.

Ausreichender Kontrast

Menschen mit Farbfehlsichtigkeit haben Probleme einer Farbe den korrekten Namen zu geben und es fehlt ihnen das Gefühl, welche Farben zusammen passen. Ich spreche da aus Erfahrung. Deswegen ist ein ausreichender Farbkontrast zwischen Hintergrund-und Schriftfarbe notwendig. Das Tool „Colour Contrast Analyser“ ist ein sehr gutes Programm um einen Farbkontrast herauszufinden, der für Menschen mit Farbfehlsichtigkeit kein Problem ist.

Oben ist die Schriftfarbe gut sichtbar, weil ein guter Farbkontrast zwischen Hintergrund-und Schriftfarbe gewählt wurde unten nicht
Oben ist die Schriftfarbe gut sichtbar, weil ein guter Farbkontrast zwischen Hintergrund-und Schriftfarbe gewählt wurde unten nicht

Skalierbarkeit

Menschen mit einer Sehbehinderung oder einer altersbedingten Seheinschränkung benötigen eine größere Schrift. Dies gilt nicht nur für Webseiten, sondern auch für Programme und Apps. Die Sehschärfe von Nutzer ist so verschieden, dass alle Schriftgrößen von winzig klein bis zu einem Wort je Bildschirm verlangt werden. Deswegen ist es am besten, wenn die Nutzer sich die Schriftgröße individuell einstellen können.

Alternativtexte

Textinformationen sind für alle Nutzer wahrnehmbar. Deswegen benötigen Bilder Alternativtexte und Videos Untertitel. Alle meine Youtube-Videos haben Untertitel damit Gehörlose den Inhalt meiner Videos wahrnehmen können.

Bedienbarkeit

Informatik ist eine interaktive Angelegenheit. Oft müssen Informationen aus Menüs abgerufen werden oder per Tastatur eingegeben werden. Die Maus als Zeigegerät wird seit einiger Zeit durch Touchscreens bei Tablets, Ipads und Smartphones ergänzt. Diese Eingaberäte erfordern funktionierende Gliedmaßen mit grob-und feinmotorischen Fähigkeiten.
Für Nutzer mit körperlichen Einschränkungen existieren vielfältige alternative Geräte zur Maus, wie z. B. Trackball, Bildschirmtastatur, Großtastentastatur, Kopf-, Augen oder Sprachsteuerung.

Tastaturbedienbarkeit

Internetseiten und Programme sollten vollständig per Tastatur bedienbar sein. Blinde und auch viele sehbehinderte Menschen können keine Tastatur bedienen. Es sollte bei Software und Webseiten möglich sein, mit der Tabulatortaste alle Bedienelemente zu erreichen.

Verständlichkeit

Die mangelhafte Verständlichkeit im Internet ist die größte Barriere laut einer Studie von Aktion Mensch . Navigationsmenüs und Inhalte sind oft zu kompliziert. Verständlichkeit ist eine Qualität die sehr oft von den Erfahrungen des Nutzers abhängt.
Die Verständlichkeit wird durch die Verwendung von einfacher Sprache, leichter Sprache und Gebärdensprache gefördert.
Ein Bemühen um Verständlichkeit ist nicht nur für Menschen mit Lernschwierigkeiten wichtig, sondern für alle Zielgruppen, die sich mit der deutschen Sprache schwer tun.

Technische Robustheit

In Bezug auf Webseiten bedeutet technische Robustheit, dass sie mit allen Browsern und Anzeigegeräten genutzt werden können. Auch ältere Browser und Screenreader sollen den Inhalt von Webseiten brauchbar wiedergeben.

Standardkonforme Programmierung

Die Standards von Webseiten sind HTML für die Struktur und CSS für das Erscheinungsbild der Inhalte. Die korrekte Verwendung von HTML und CSS sind wichtig für eine Geräteunabhängige Nutzbarkeit, z. B. Durch einen Screenreader.

Semantische Auszeichnung

Die Verwendung von Überschriften, Absätzen, Hervorhebungen, Listen, Tabellen und Formularfelder sind wichtige HTML-Elemente um den Inhalt von Webseiten zu strukturieren. Werden diese HTML-Elemente sinnvoll eingesetzt, so sind die Inhalte auch ohne grafische Aufbereitung verständlich.

Unterstützung von assistierenden Technologien

Menschen mit Behinderung stoßen bei der Bedienung von Computern, Ipads, Tablets und Mobiltelefone auf Barrieren oder Hindernisse. Deswegen gibt es eine Reihe von Assistive Technologien die Menschen mit Behinderungen unterstützen bei der Bedienung von Computern, Ipads, Tablets und Mobiltelefone.
Internetseiten in semantisch korrektem HTML können ohne weiteres mit Assistive Technologien wie Bildschirmtastatur oder Screenreader genutzt werden.

Bildschirmtastatur
Bildchirmtastartur in Zukunftsdesign

Richtlinien zur digitalen Barrierefreiheit

In diesem Abschnitt geht es um Richtlinien zur Barrierefreiheit. Hier folgt eine Auflistung aller Richtlinien bei denen es um Barrierefreiheit oder Usability geht.

  • Barrierefreies Webdesign für Deutschland: BitV 2.0
  • Barrierefreies Webdesign International: WCAG 2.0
  • Barrierefreie Software-Entwicklung mit Dotnet: MSDN Microsoft
  • Barrierefreie Software-Entwicklung mit Java: Oracle

Inklusion von Barrierefreiheit in die Benutzerfreundlichkeit

Die Inklusion steht in der Behindertenrechtskonvention und ist somit ein Menschenrecht. Inklusion bedeutet, dass Menschen mit und ohne Behinderungen in Kindergärten, Schulen und im Berufsleben zusammen sind und nicht mehr getrennt.
Weil es sehr viel Gemeinsamkeiten gibt zwischen Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit gibt und das Thema „Inklusion“ war, durfte ich dieses Jahr auf dem World Usability Day einen Vortrag halten:

World Usability Day 2017 Markus Lemcke ist Referent: Inklusion von Barrierefreiheit in die Benutzerfreundlichkeit

Vortrag von Markus Lemcke – Who cares. Warum sich Unternehmen jetzt um digitale Barrierefreiheit kümmern sollten

In nachstehenden Vortrag den ich am 12. Mai 2017 in der Hochschule der Medien in Stuttgart gehalten habe geht es um digitale Barrierefreiheit bei Unternehmen:
Who cares. Warum sich Unternehmen jetzt um digitale Barrierefreiheit kümmern sollten

Schlussbemerkung Digitale Barrierefreiheit – Universelles Design für Alle

Digitale Barrierefreiheit ist leider in der deutschen Gesellschaft noch immer nicht zu 100% angekommen. Bei genauer Betrachtung wird dennoch sehr schnell klar, dass digitale Barrierefreiheit sehr viel Vorteile mit sich bringt. Ich wünsche mir, dass dieser Artikel zu beiträgt, dass digitale Barrierefreiheit auch in Deutschland selbstverständlich wird.

Autor: Markus Lemcke

Ich bin Markus Lemcke, Softwareentwickler, Webentwickler, Appentwickler, Berater und Dozent für barrierefreies Webdesign, barrierefreie Softwareentwicklung mit Java, C# und Python, Barrierefreiheit bei den Betriebssystemen Windows, Android, IOS, Ubuntu und MacOS.

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