In diesem Blogartikel wird erklärt was eine Barrierefreie Software ist.
Definition
Barrierefreie Software ist so gestaltet, dass sie von allen Menschen, auch von Menschen mit Behinderungen, bedient werden kann. Dazu zählen Menschen mit Sehbehinderungen, motorischen Einschränkungen, Hörbeeinträchtigungen oder kognitiven Einschränkungen. Ziel ist es, allen Nutzenden eine gleichwertige Bedienbarkeit zu ermöglichen.
Die Softwareentwicklung spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung barrierefreier Anwendungen. Bereits in der frühen Phase der Softwareentwicklung sollten Entwickler Accessibility-Standards berücksichtigen, um sicherzustellen, dass Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen die Software problemlos nutzen können. Eine inklusive Softwareentwicklung bedeutet, dass Entwickler Technologien so gestalten, dass sie für alle zugänglich sind, unabhängig von individuellen Fähigkeiten. Durch eine barrierefreie Softwareentwicklung wird nicht nur die digitale Teilhabe gefördert, sondern auch die Benutzerfreundlichkeit für alle verbessert. Deshalb sollten Entwickler regelmäßig Schulungen zu barrierefreier Gestaltung erhalten, um ihr Wissen in diesem Bereich stetig zu erweitern.
Seit Januar 2008 gibt es den Begriff „Inklusion“. Inklusion bedeutet, dass alle Menschen, unabhängig von ihren unterschiedlichen Fähigkeiten, Herkunft oder Bedürfnissen, gleichberechtigt und vollständig am gesellschaftlichen Leben teilhaben können.
Damit Inklusion im Berufsleben stattfinden kann, ist es notwendig, dass Software von Menschen mit und ohne Behinderung bedient werden kann. Deswegen ist barrierefreie Software auch für die Umsetzung der Inklusion grundlegend.

Zielgruppe
Die Hauptzielgruppe barrierefreier Software sind Menschen mit Behinderungen. Dazu gehören:
- Blinde und sehbehinderte Menschen
- Gehörlose und schwerhörige Personen
- Menschen mit motorischen Einschränkungen
- Nutzer mit kognitiven oder Lernschwierigkeiten
Senioren, die durch altersbedingte Einschränkungen betroffen sind, gehören ebenso zur Zielgruppe.
Damit sich der Text gut liest, verwende ich die Begriffe „Menschen“, „Anwender“, „Personen“ und „Nutzer“. Alle Begriffe meinen das gleiche. Jemand der eine Software bedient.
Gesetzliche Bestimmungen
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), insbesondere § 12a zur barrierefreien Informationstechnik, enthält folgende Bestimmungen:
- Öffentliche Stellen des Bundes müssen ihre Websites und mobilen Anwendungen barrierefrei gestalten. Diese Regelung umfasst auch die internen Angebote, die für die Beschäftigten im Intranet zur Verfügung stehen. Bis spätestens 23. Juni 2021 sollten außerdem alle elektronischen Verwaltungsprozesse, wie die elektronische Bearbeitung von Vorgängen und Aktenführung, barrierefrei gemacht werden. Auch grafische Benutzeroberflächen müssen dabei barrierefrei sein.
- Der Bund setzt sich dafür ein, dass gewerbliche Anbieter von Websites sowie grafischen Benutzeroberflächen und mobilen Anwendungen ihre Produkte so gestalten, dass sie barrierefrei genutzt werden können. Dies soll durch Zielvereinbarungen mit den Anbietern erreicht werden, die auf den entsprechenden rechtlichen Grundlagen basieren.
Im Klartext: Behörden sind dazu verpflichtet barrierefreie Software einzusetzen und Unternehmen sollten es.
Das Ziel des Behindertengleichstellungsgesetzes ist, sicherzustellen, dass Nutzer mit Behinderungen im Kontakt mit öffentlichen Stellen des Bundes keine Nachteile haben.
Digitale Barrierefreiheit – Definition
Digitale Barrierefreiheit bedeutet, dass Webseiten, Software, Apps und BBetriebssysteme so entwickelt werden, dass Sie von allen Personen, auch Personen mit körperlichen Einschränkungen bedient werden können. Die digitale Barrierefreiheit gibt es, seit das Behindertengleichstellungsgesetz in Kraft getreten ist. Das englische Wort für Barrierefreiheit heißt „Accessibility“.
Was ist ein Screenreader?
Damit der Blogartikel besser verstanden wird, macht es Sinn zu erklären was ein Screenreader ist. Er ist ein spezielles Computer-Programm, das Menschen hilft, die nicht gut sehen können oder blind sind, Inhalte auf einem Bildschirm zu lesen. Der Screenreader liest alles, was auf dem Bildschirm angezeigt wird, laut vor oder überträgt das gelesene an eine Braillezeile. Das bedeutet, er liest Texte, Menüs, Webseiten und andere Informationen vor, damit die Nutzer sie hören können, anstatt sie zu sehen.
In diesem Video zeige ich den Screenreader NVDA im Betriebssystem Windows 10:
Richtlinien
Das Thema Richtlinien zur barrierefreien Software ist etwas schwierig. Zunächst mal gibt es folgende allgemeine Richtlinien für digitale Barrierefreiheit:
- Web Content Accessibility Guidelines (WCAG)– Standards für barrierefreie Webseiten und Webanwendungen.
- EN 301 549 – Der europäische Standard für Barrierefreiheit bei Webseiten, Software, Apps und Hardware.
Es gibt auch Richtlinien von Unternehmen, die eine eigene Programmiersprache entwickelt haben:
Oracle: Java Accessibility Guide
Richtlinien sollen sicherstellen, dass Menschen mit verschiedenen Behinderungen eine Software ohne Einschränkungen nutzen können.
Mit welchen Programmiersprachen kann barrierefreie Software entwickelt werden?
Grundsätzlich können fast alle Programmiersprachen für barrierefreie Software genutzt werden, sofern geeignete Frameworks und Techniken verwendet werden. Besonders geeignet sind:
- HTML, CSS, JavaScript (für Webanwendungen) in Kombination mit ARIA (Accessible Rich Internet Applications)
- Python mit barrierefreien GUI-Frameworks wie Qt
- Java mit Swing oder JavaFX
- C# und .NET mit WPF (Windows Presentation Foundation)
Entwicklungsumgebungen – sind diese barrierefrei?
Wenn Software für behinderte Menschen bedienbar sein soll, wäre es doch eine gute Idee, behinderte Personen könnten Software programmieren. Damit hierfür die Grundvorrausetzungen geschaffen sind, müssen behinderte Personen in der Lage sein, Entwicklungsumgebungen bedienen zu können.
Eine Entwicklungsumgebung ist ein Programm oder eine Sammlung von Programmen, die Entwicklern dabei helfen, Software zu erstellen. Sie bietet alle Tools, die man braucht, um Code zu schreiben, zu testen und zu verbessern. Dazu gehören zum Beispiel:
- Ein Editor, in dem man den Code schreiben kann.
- Fehlermeldungen, die dabei helfen, Fehler im Code zu finden.
- Werkzeuge, um den Code zu testen und sicherzustellen, dass er funktioniert.
Kurz gesagt: Eine Entwicklungsumgebung ist wie ein „Werkzeugkasten“ für Programmierer, um Software effizient zu entwickeln.
In diesem Blogartikel Barrierefreiheit bei Entwicklungsumgebungen – Artikelreihe
habe ich folgende Entwicklungsumgebungen auf Barrierefreiheit untersucht:
- Eclipse
- Visual Studio
- Android Studio
- Netbeans
- IntelliJ IDEA
- Delphi
- PyCharm
- Colaboratory
- Visual Studio Code
Alle Entwicklungsumgebungen sind grundsätzlich barrierefrei. Für blinde Personen ist bei der einen oder anderen Entwicklungsumgebung die Bedienung per Tastatur etwas umständlich, aber grundsätzlich können blinde Personen mit allen Entwicklungsumgebungen programmieren.
In diesem Video zeige ich die Barrierefreiheit meiner Lieblingsentwicklungsumgebung Pycharm:
Für welche Personengruppen muss eine Software unbedingt bedienbar sein?
Damit eine Software als barrierefrei gilt, muss sie mindestens für folgende Personengruppen nutzbar sein:
- Blinde Menschen (Screenreader-Kompatibilität)
- Sehbehinderte Menschen (Screenreader-Kompatibilität, hohe Kontraste)
- Menschen mit motorischen Einschränkungen (Tastaturbedienbarkeit, Spracherkennung)
- Gehörlose und Schwerhörige (Untertitel, visuelle Hinweise)
- Menschen mit Farbfehlsichtigkeit
Welche EN 301 549 Prüfschritte müssen unbedingt erfüllt werden?
Grundsätzlich müssen alle Prüfschritte der EN 301 539 umgesetzt werden. Besonders relevant ist jedoch die Umsetzung der folgenden Prüfschritte:
- 9.1.1.1b Alternativtexte für Grafiken und Objekte
- 9.2.1.1 Ohne Maus nutzbar
- 9.1.2.2 Aufgezeichnete Videos mit Untertiteln
- 9.1.1.1a Alternativtexte für Bedienelemente
- 9.1.4.3 Kontraste von Texten ausreichend
- 9.1.4.4 Text auf 200% vergrößerbar
- 9.2.4.7 Aktuelle Position des Fokus deutlich
Mir ist wichtig ein Bezug zwischen Prüfschritten und Menschen herzustellen, deswegen hier zu jedem Prüfschritt eine kurze Erklärung.
9.1.1.1b:
Der Screenreader von blinden Menschen kann weder Grafiken noch Bilder erkennen. Deshalb brauchen Grafiken und Objekte Alternativtexte, die beschreiben, was darauf zu sehen ist.
9.2.1.1:
Blinde und stark sehbehinderte Personen können keine Computermaus nutzen. Sie können den ganzen Computer nur per Tastatur bedienen. Daher muss barrierefreie Software vollständig mit der Tastatur bedienbar sein.
In folgendem Video zeige ich wie ein Computer, mit Betriebssystem Windows, nur per Tastatur bedient werden kann:
9.1.2.2:
Gehörlose Nutzer können nicht hören, was in einem Video gesprochen wird. Deshalb brauchen Videos Untertitel, die den gesprochenen Inhalt wiedergeben.
9.1.1.1a:
Blinde und stark sehbehinderte Menschen müssen erkennen können, welche Funktion ein Bedienelement hat. Daher benötigen Bedienelemente Alternativtexte.
9.1.4.3:
Es gibt Menschen mit Farbfehlsichtigkeit. Farbfehlsichtigkeit bedeutet, dass eine Person bestimmte Farben nicht so sehen kann wie andere. Die häufigste Form ist die Rot-Grün-Sehschwäche, bei der Rot und Grün schwer zu unterscheiden sind. Für Nutzer mit Farbfehlsichtigkeit ist es wichtig, dass Text in einer Software einen ausreichenden Farbkontrast haben zwischen Hintergrund- und Schriftfarbe.
In diesem Video zeige ich wie Sie den Farbkontrast überprüfen können:
9.1.4.4:
Für Menschen mit einer Sehbehinderung ist es wichtig, dass der Text in einer Software auf 200 % vergrößert werden kann, damit er besser lesbar ist.
9.2.4.7:
Für Menschen mit einer Sehbehinderung ist es wichtig, dass klar erkennbar ist, welches Bedienelement in einer Software gerade ausgewählt oder aktiviert ist.
Damit eine Software barrierefrei ist, benötigt sie Schaltflächen mit einer Mindestgröße
In der Richtlinie EN 301 549 fehlt ein Prüfschritt den es in der WCAG 2.2 gibt: Criterion 2.5.8 Target Size (Minimum) . In diesem Prüfschritt geht es darum, dass Bedienelemente eine Mindestgröße haben müssen, damit sie von Menschen mit motorisch eingeschränkten Händen bedient werden können. Motorisch eingeschränkte Händen können nicht nur Menschen mit Behinderungen haben, sondern auch Menschen nach einem Schlaganfall.
Die WCAG empfiehlt eine Mindestgröße von 24×24 CSS-Pixel.
Wie kann Barrierefreiheit bei Software überprüft werden?
Entwickler sollten ihre Software regelmäßig testen, um sicherzustellen, dass alle Informationen barrierefrei zugänglich sind. Entwickler können Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen einbeziehen, um die Software zu testen und sicherzustellen, dass alle enthaltenen Informationen barrierefrei zugänglich sind.
Die Barrierefreiheit kann durch verschiedene Methoden überprüft und getestet werden:
- Automatisierte Tests mit Tools wie axe, Lighthouse, WAVE oder Marlems Barriere Software Checker
- Manuelle Tests mit Screenreadern wie NVDA, VoiceOver oder JAWS
- Tastaturtests zur Überprüfung der Bedienbarkeit ohne Maus
- Nutzerfeedback von betroffenen Personen, um die Software in realen Szenarien zu testen
- Ein Test nach den entsprechenden Richtlinien von Hand, um sicherzustellen, dass alle Anforderungen gründlich getestet wurden
Eine barrierefreie Software-Hilfe
Eine barrierefreie Software sollte auch eine barrierefreie Hilfe bieten, die eine verständliche Erklärung ihrer Funktionen liefert. Doch die beste Erklärung einer Software ist eine intuitive und benutzerfreundliche Gestaltung der Programmoberfläche.
Das IT-Unternehmen Marlem-Software entwickelt barrierefreie Software
Marlem-Software ist ein Unternehmen, das sich auf die Entwicklung barrierefreier Software spezialisiert hat. Es unterstützt Unternehmen dabei, ihre Anwendungen barrierefrei zu gestalten und bietet Beratung sowie Schulungen zur digitalen Barrierefreiheit an.
Schlussbemerkung
Barrierefreie Software ist im Jahr 2025 ein wichtiges Thema und ich freue mich über Aufträge!
Wenn Sie Fragen zu obige Themen haben, schreiben Sie mir eine Mail an info@marlem-software.de oder rufen Sie mich an unter 07072/1278463 .
4 Gedanken zu „Barrierefreie Software – Was ist das?“